In Stille wollten wir vier Stunden durch den spätherbstlichen Wald wandern. Ich freuten uns auf diese neue Erfahrung. Treffpunkt Bahnhof Rekawinkel- Wir reisten mit dem Zug an. Zur Gruppe gehörten noch zwei Männer, drei weitere Frauen zwischen 40 und 60 und Gruppenleiter Harald, der über Facebook eingeladen hatte.
Ein kurzer Austausch. Drei Personen waren schon mal dabei, der Rest Neulinge. Harry führte und über eine Strasse und einen Hügel hinauf. Links und rechts die letzten Häuser, dann traten wir in den Wald ein. Wir bildeten einen Kreis. Harry erklärte, dass er auf das Tempo achten und die Gruppe zusammenhalten würde. In ca. 1,5 Stunden wäre es dann Zeit für die Jausenpause. Dann wurde Stille vereinbart.
Es herrschte feucht nebeliges Novemberwetter, richtig kalt war es noch nicht. Wir stapften über einen matschig aufgewühlten ehemaligen Weg, der nun breiter als ein Bulldozer war und die tiefen Spuren der großen Reifen eines schweren Fahrzeuges zeigte. Hier hatten intensive Waldarbeiten stattgefunden, dicke Stämme waren abgeholzt worden. Die Trockenheit? Der Borkenkäfer?
Die alten kranken Bäume hatten große Lücken hinterlassen- irgendwie traurig, aber die Bundesforste werden ihre Arbeit wohl fachgemäß durchführen“ - dachte ich.
Weiter ging´s hinein zwischen hohen glatten Buchenstämmen, die für diesen Teil des Wienerwaldes so typisch sind. Das Laub leichtete in Geld- und Brauntönten. Bald würde es gänzlich abfallen und am Fuße der Stämme vermodern.
Still war es- nur die Blätter raschelten unter unseren Schritten. Harry blieb stehen, um sich zu vergewissern, wo der Weg weiterging. Wie ein kleines Rudel Rehe folgten wir ihm. Der Weg war nicht schwer, doch uneben und immer wieder matschig. Dann versuchten wir auszuweichen, weiter zwischen den Bäumen auf Laub zu gehen. Ich achtete darauf, nicht über Wurzel oder Fallholz zu stolpern. Es roch frisch nach feuchtem Laub, nach Harz und nach Rinde, auch ein wenig modrig und nach Pilzen.
Immer weiter ging es hinein in den Wald. Ich folgte den anderen, brauchte nicht auf den Weg und die Richtung achten, nur gehen und atmen riechen und Haltfinden, in dem ich einen Ast ergriff oder mich an einem Stammabfing, wenn ich rutschte.
Ich wanderte und meine Gedanken wanderten auch – zurück in den Sommer, als das satte Grünvorherrschte und in der warmen Sonne ganz anders duftete.
Bucheckern knackten unter den Füßen und die heiseren Rufe der Krähen waren zu hören, dazwischen das Tschilpen der Spatzen, das Schnarren der Eichelhäher und die scheppernden Laute der Elster.
Das Licht fiel von Nebel gedämpft milchig durch die schütteren Kronen.
Zwei Spaziergängerinnen begegneten uns. Ich legte den Finger auf den Mund. Ihre laute Unterhaltung schien mir völlig unpassend.
Wir legen eine Pause ein und sollten uns einen Baum auswählen und Kontakt zu ihm aufnehmen. Ich entschied mich für eine hohe Buche, die über ihre Zweige mit einem Baum am gegenüber liegenden Wegrand im Kontakt war. Gleich daneben stand eine ebenso hohe und glatte Buche. Sie erinnerte mich an meine Zwillingsschwester.
Ich lehnte mich an den Stamm „meiner“ Buche und schaute in das leuchtend gelbe Blätterdach. Tropfen glitzernden im Laub. Ich fühlte mich geborgen, wie in einer Kapelle. Kaum konnte ich den Baum mit meinen Armen um fassen – glatt und kühl und stark war er.
Mich anlehnen und in der Umarmung mein Herz an ihn drücken, seinen Geruch nach Holz und Waldboden einatmen und nicht wissen, wie viele Jahre er wohl schon hier stand und wie viele Jahre ich noch durch den Wald gehen werde. Was zählte war jetzt einfach nur da sein und atmen. Und staunend die Schönheit der herbstlichen Kathedrale wahrnehmen.
Die Jausenpause verlief schweigend. Jede/r war bei sich angekommen.
Danach ein kurzer Anstieg und wir traten ins Freie. Auf einer kleinen Anhöhe sahen wir über eine große grüne Wiese und über die Hügel ringsum. Die Sonne war aus dem Nebel hervorgetreten und wärmte uns für ein paar Minuten. Dann ging es bergab zwischen einzelnen Häusern, Richtung Bahnhof. Auf einer Wiese kamen wir wieder im Kreis zusammen. Jede/r hatte ein Erinnerungstück dabei:
Ein Stück Birkenrinde, einen kahlen weißgrauen Ast, einen Stein, ein besonders schön gefärbtes Blatt, ein leeres Schneckenhaus, eine Astgabel.
Wir präsentierten unsere „Schätze“ den anderen und legten sie in der Mitte des Kreises wie ein Mandala zusammen. Abschließend teilten wir unsere Gedanken und Gefühle in einem Wort oder einem kurzen Satz in der Gruppe: „Entspannt“, „getröstet und versöhnt“, „ein Ast wie ein Knochen – erinnert an unsere Vergänglichkeit“, „Ruhe und Kraft“, „ Ehrfurcht vor der Schöpfung“, „Dankbarkeit für die Schönheit und die Farben der Bäume,“ lauteten die Statements. „Ich habe gespürt wie wichtig der Wald für die Menschen ist“ – sagte eine Teilnehmerin – dem konnte ich nur zustimmen.
Der nächste „walk in silence“ findet am 1. Jänner 2023 statt.
https://www.facebook.com/groups/walkinsilence
Ein kurzer Austausch. Drei Personen waren schon mal dabei, der Rest Neulinge. Harry führte und über eine Strasse und einen Hügel hinauf. Links und rechts die letzten Häuser, dann traten wir in den Wald ein. Wir bildeten einen Kreis. Harry erklärte, dass er auf das Tempo achten und die Gruppe zusammenhalten würde. In ca. 1,5 Stunden wäre es dann Zeit für die Jausenpause. Dann wurde Stille vereinbart.
Es herrschte feucht nebeliges Novemberwetter, richtig kalt war es noch nicht. Wir stapften über einen matschig aufgewühlten ehemaligen Weg, der nun breiter als ein Bulldozer war und die tiefen Spuren der großen Reifen eines schweren Fahrzeuges zeigte. Hier hatten intensive Waldarbeiten stattgefunden, dicke Stämme waren abgeholzt worden. Die Trockenheit? Der Borkenkäfer?
Die alten kranken Bäume hatten große Lücken hinterlassen- irgendwie traurig, aber die Bundesforste werden ihre Arbeit wohl fachgemäß durchführen“ - dachte ich.
Weiter ging´s hinein zwischen hohen glatten Buchenstämmen, die für diesen Teil des Wienerwaldes so typisch sind. Das Laub leichtete in Geld- und Brauntönten. Bald würde es gänzlich abfallen und am Fuße der Stämme vermodern.
Still war es- nur die Blätter raschelten unter unseren Schritten. Harry blieb stehen, um sich zu vergewissern, wo der Weg weiterging. Wie ein kleines Rudel Rehe folgten wir ihm. Der Weg war nicht schwer, doch uneben und immer wieder matschig. Dann versuchten wir auszuweichen, weiter zwischen den Bäumen auf Laub zu gehen. Ich achtete darauf, nicht über Wurzel oder Fallholz zu stolpern. Es roch frisch nach feuchtem Laub, nach Harz und nach Rinde, auch ein wenig modrig und nach Pilzen.
Immer weiter ging es hinein in den Wald. Ich folgte den anderen, brauchte nicht auf den Weg und die Richtung achten, nur gehen und atmen riechen und Haltfinden, in dem ich einen Ast ergriff oder mich an einem Stammabfing, wenn ich rutschte.
Ich wanderte und meine Gedanken wanderten auch – zurück in den Sommer, als das satte Grünvorherrschte und in der warmen Sonne ganz anders duftete.
Bucheckern knackten unter den Füßen und die heiseren Rufe der Krähen waren zu hören, dazwischen das Tschilpen der Spatzen, das Schnarren der Eichelhäher und die scheppernden Laute der Elster.
Das Licht fiel von Nebel gedämpft milchig durch die schütteren Kronen.
Zwei Spaziergängerinnen begegneten uns. Ich legte den Finger auf den Mund. Ihre laute Unterhaltung schien mir völlig unpassend.
Wir legen eine Pause ein und sollten uns einen Baum auswählen und Kontakt zu ihm aufnehmen. Ich entschied mich für eine hohe Buche, die über ihre Zweige mit einem Baum am gegenüber liegenden Wegrand im Kontakt war. Gleich daneben stand eine ebenso hohe und glatte Buche. Sie erinnerte mich an meine Zwillingsschwester.
Ich lehnte mich an den Stamm „meiner“ Buche und schaute in das leuchtend gelbe Blätterdach. Tropfen glitzernden im Laub. Ich fühlte mich geborgen, wie in einer Kapelle. Kaum konnte ich den Baum mit meinen Armen um fassen – glatt und kühl und stark war er.
Mich anlehnen und in der Umarmung mein Herz an ihn drücken, seinen Geruch nach Holz und Waldboden einatmen und nicht wissen, wie viele Jahre er wohl schon hier stand und wie viele Jahre ich noch durch den Wald gehen werde. Was zählte war jetzt einfach nur da sein und atmen. Und staunend die Schönheit der herbstlichen Kathedrale wahrnehmen.
Die Jausenpause verlief schweigend. Jede/r war bei sich angekommen.
Danach ein kurzer Anstieg und wir traten ins Freie. Auf einer kleinen Anhöhe sahen wir über eine große grüne Wiese und über die Hügel ringsum. Die Sonne war aus dem Nebel hervorgetreten und wärmte uns für ein paar Minuten. Dann ging es bergab zwischen einzelnen Häusern, Richtung Bahnhof. Auf einer Wiese kamen wir wieder im Kreis zusammen. Jede/r hatte ein Erinnerungstück dabei:
Ein Stück Birkenrinde, einen kahlen weißgrauen Ast, einen Stein, ein besonders schön gefärbtes Blatt, ein leeres Schneckenhaus, eine Astgabel.
Wir präsentierten unsere „Schätze“ den anderen und legten sie in der Mitte des Kreises wie ein Mandala zusammen. Abschließend teilten wir unsere Gedanken und Gefühle in einem Wort oder einem kurzen Satz in der Gruppe: „Entspannt“, „getröstet und versöhnt“, „ein Ast wie ein Knochen – erinnert an unsere Vergänglichkeit“, „Ruhe und Kraft“, „ Ehrfurcht vor der Schöpfung“, „Dankbarkeit für die Schönheit und die Farben der Bäume,“ lauteten die Statements. „Ich habe gespürt wie wichtig der Wald für die Menschen ist“ – sagte eine Teilnehmerin – dem konnte ich nur zustimmen.
Der nächste „walk in silence“ findet am 1. Jänner 2023 statt.
https://www.facebook.com/groups/walkinsilence